Schenken und Vererben – höhere Immobilienwerte ab 2023
Zum 1.1.2023 sollen die Regelungen zur Bewertung von Immobilien im Rahmen von unentgeltlichen Übertragungen (schenken/vererben) geändert werden. Die geplanten Änderungen betreffen vor allem die Bewertung von bebauten Grundstücken, aber auch die die Bewertung von Gebäuden auf fremden Grund und Boden bzw. von Erbbaurechten. Betroffen sind selbstgenutzte Ein- und Zweifamilienhäuser und Wohnungen, aber auch Gewerbeimmobilien und vermietete Wohn- und Geschäftshäuser. Nicht betroffen ist die Bewertung von Grundstücken für die Grundsteuer.
Es ist davon auszugehen, dass es ab 1.1.2023 teurer wird, Immobilien zu verschenken. Noch steht das Jahressteuergesetz 2022, mit dem die Neuregelungen eingeführt werden sollen, erst am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens. Nach dem derzeitigen Stand ist es aber sehr wahrscheinlich, dass die neuen Bewertungsregeln tatsächlich Gesetz werden.
Wir möchten deshalb bereits vorab einen kurzen Überblick über die geplanten Änderungen geben:
Anpassung der Gesamtnutzungsdauer
Die Gesamtnutzungsdauer für bestimmte Gebäudearten wird von 70 auf 80 Jahre erhöht. Allein diese Erhöhung wird zu höheren Immobilienwerten führen – denn dadurch steigt der Restwert (Gebäudenormalherstellungskosten abzgl. Alterswertminderung), der seinerseits bei der Bewertung eine Rolle spielt. Das betrifft folgende Gebäude:
- Ein- und Zweifamilienhaus
- Mietwohngrundstück
- Wohnungseigentum
- gemischt genutzte Grundstücke (Wohnhäuser mit Mischnutzung)
Außerdem wird die Restnutzungsdauer konkretisiert. Sie wird entsprechend verlängert, wenn nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes z.B. Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Mindestens beträgt die Restnutzungsdauer 30 Jahre (wie bisher auch). Verkürzt werden kann die Restnutzungsdauer nur, wenn eine Abbruchverpflichtung besteht.
Immobilienbewertung im Sachwertverfahren
Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen werden grundsätzlich nach dem Vergleichswertverfahren bewertet. Das bedeutet, dass der Immobilienwert für Zwecke der Erbschaft- oder Schenkungsteuer aus vergleichbaren Verkaufspreisen ermittelt wird. In vielen traditionellen Wohngebieten, in denen wenig Grundstücksverkehr stattfindet, oder in wenig besiedelten Gebieten sowie zB für Ein- oder Zweifamilienhäuser in Mischbau- und Gewerbegebieten sind zeitnahe Vergleichskaufpreise oft schwer festzumachen. In diesem Fall erfolgt die Bewertung nach dem Sachwertverfahren. Bei selbst genutzten Immobilien ist das in der Praxis der Regelfall. Deshalb kommen gerade hier die Neuerungen zum Tragen.
Neu ist, dass bei der Bewertung im Sachwertverfahren ein Regionalfaktor eingeführt wird. Damit soll der Unterschied zwischen den Immobilienpreisen in unterschiedlichen Regionen berücksichtigt werden. Besonders in stark nachgefragten Regionen wird der Regionalfaktor den Immobilienwert stark nach oben schrauben. Bei einem Regionalfaktor von 1,1 wird der Wert bereits um 10 % erhöht.
Außerdem sollen die Sachwertfaktoren erhöht werden. Diese Sachwertfaktoren kommen bereits jetzt bei der Bewertung zur Anwendung, um den gemeinen Wert der Immobilie zu ermitteln. Diese Sachwertfaktoren sollen deutlich erhöht werden – statt bislang 0,9 bis 1,1 betragen sie ab 2023 zwischen 1,3 und 1,5. Bei einer Erhöhung des Faktors von 0,9 auf 1,3 bedeutet das für sich schon eine deutliche Wertsteigerung von 44 %.
Immobilienbewertung im Ertragswertverfahren
Wird ein vermietetes Wohn- oder Geschäftsgrundstück bzw. ein gemischt genutztes Grundstück, das vermietet wird, verschenkt oder vererbt, bestimmt sich der Immobilienwert nach dem Ertragswertverfahren. Schon jetzt spielen hier die sog. Bewirtschaftungskosten eine Rolle. Bisher wurden die Bewirtschaftungskosten pauschal auf Basis eines Prozentsatzes der Jahresmiete ermittelt. Dieser pauschale Ansatz wird aufgegeben. Die Ermittlung soll ab 1.1.2023 differenzierter erfolgen und jährlich an den Verbraucherindex angepasst werden.
Außerdem werden die Liegenschaftszinssätze verringert. Zum Hintergrund: Bei Ermittlung des Ertragswerts ist vom Reinertrag des Grundstücks auszugehen, vermindert um eine angemessene Verzinsung des Bodenwerts. Der Bodenwert wird mit dem sog. Liegenschaftszins verzinst. Die Liegenschaftszinssätze sollen nun angepasst werden. Sofern keine vom Gutachterausschuss ermittelten Liegenschaftszinssätze verfügbar sind, gelten die gesetzlich festgelegten Zinssätze. Diese Zinssätze werden an das marktübliche Niveau angepasst. So gilt für Mietwohngrundstücke zB nur noch ein Zinssatz von 3,5 % statt bisher 5,0 %. Das führt zu einem höheren Immobilienwert, da der Abzugsposten „verzinster Bodenwert“ geringer wird. In München sind jetzt schon 2 % üblich.
Begriff der Wohnung
Nach der neuen Definition liegt eine Wohnung bereits ab 20 qm und nicht wie bisher ab 23 qm vor. Im Ergebnis wird damit eine Eigentumswohnung bereits ab 20 qm im Vergleichs- bzw. Sachwertverfahren bewertet.
Bewertung von Erbbaurechten
Bei der Bewertung von Erbbaurechten wird das Berechnungsschema um einen neuen Erbbaurechtskoeffizienten erweitert. Außerdem soll der pauschale, gesetzlich vorgesehene Vervielfältiger herabgesetzt werden. Insgesamt wird es wohl auch hier zu höheren Werten kommen.
Im Ergebnis können die geplanten Neuregelungen dazu führen, dass bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer Grundstücke mit höheren Werten zu berücksichtigen sind. Höhere Steuerbelastungen bei der unentgeltlichen Übertragung (der Immobilie selbst oder eines Anteils an einer grundbesitzenden Gesellschaft) sind dann die Folge. Die geänderte Bewertung kann auch bei einem Großerwerb von begünstigtem Betriebsvermögen nach § 13a Abs. 1 ErbStG eine Rolle spielen – hier besteht die Gefahr, dass die Grenzwerte für den Verschonungsabschlag eher überschritten werden. Die Schenkung einer Immobilie sollte aber nicht nur steuerliche Aspekte berücksichtigen. Vielmehr ist eine umfassende Abwägung unter Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte anzuraten.
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